Talentmanager_innen im Fußball: ein Fingerzeig aus dem Schweizer Fußballverband?
In unserer Studie zum Relative Age Effect bei den Nationalmannschaften die an der EURO 2024 teilgenommen haben, ist uns die Schweizer Nationalmannschaft positiv aufgefallen. Wir haben weiter recherchiert und einen spannenden Artikel in der Zeitschrift des Institut für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement (VMI) gefunden. Den Link zum Originalartikel stellen wir unterhalb des Posts zur Verfügung. Der Originalartikel hat den Titel:
Pioniergeist der Talentförderung im Schweizer Fussball: ein Modell für die Zukunft.
von Bernhard Lang, Luca Fiorina und Philipp Erpf
Der Beitrag beleuchtet das Talentmanagement des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) und betont die Notwendigkeit einer spezialisierten Ausbildung für Talentmanager_innen, die in Zusammenarbeit mit dem Verbandsmanagement Institut (VMI) entwickelt wurde. Die Bedeutung der Nachwuchsförderung im Einklang mit FIFA-Strategien wird hervorgehoben und Schlüsselkompetenzen, die für effektives Talentmanagement erforderlich sind, diskutiert. Diese wurden mittels Interviews mit Talentmanager_innen und Expert_innen erarbeitet und geschärft.
Nachwuchsförderung und Talentmanagement
Die Förderung des Nachwuchses stellt ein wesentliches Element jeder Sportart dar, insbesondere im Fussball. Laut der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist die Nachwuchsförderung, die sich auf das Aufspüren, Begleiten, Unterstützen und Fördern junger und talentierter Fussballspieler_innen konzentriert, ein zentraler Pfeiler für eine nachhaltige Entwicklung des Fussballs. Die FIFA zielt darauf ab, durch die Einrichtung von Elite-Jugendakademien in allen 211 Mitgliedsverbänden bis Ende 2027 die globale Nachwuchsförderung nachhaltig weiterzuentwickeln. Diese Akademien sollen sowohl akademische als auch fussballspezifische Ausbildungen bieten, um eine ganzheitliche Entwicklung der jungen Talente zu fördern.
Analog zur FIFA verfolgt auch der SFV das Ziel, die Nachwuchsförderung gemäss den strategischen Ausrichtungen der FIFA zu stärken, um so die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Fussballs zu sichern. Ein zentraler Bestandteil dieser Bestrebungen ist die Rolle des Talentmanagements und die Entwicklung einer fundierten diesbezüglichen Ausbildung.
Zur Konzeption der Ausbildung
Diese spezifische Funktion der/des Talentmanager_in führt zur Notwendigkeit einer spezialisierten Ausbildung, die darauf abzielt, diese Schlüsselrolle zu professionalisieren. Für die Entwicklung dieses Ausbildungskurses wurde das Projekt mit Unterstützung des Verbandsmanagement Instituts (VMI) der Universität Freiburg/CH und seiner Expertise in wissenschaftlichen, managementbezogenen und insbesondere auch verbandsspezifischen Themenfeldern initiiert. Das Ziel bestand darin, ein tiefergehendes Verständnis darüber zu entwickeln, wie verschiedene Interessengruppen die Rolle des Talentmanagements auffassen und welche Fähigkeiten sie für die Ausübung dieses Berufes als notwendig erachten.
Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde eine maßgeschneiderte Ausbildung für Talentmanager_innen entwickelt. Zu diesem Zweck beauftragte der SFV das VMI, eine Umfrage in Form von halbstrukturierten Interviews durchzuführen. Im Februar 2023 führte das VMI 16 Interviews mit Talentmanager_innen, Mitarbeitenden des SFV und weiteren externen Personen durch, um ein tiefgehendes Verständnis des Themas zu erlangen und insbesondere das inhaltliche Fundament der Ausbildung zu legen. Jedes dieser 45-minütigen Interviews, die per Videokonferenz durchgeführt wurden, wurde anonymisiert, um die Vertraulichkeit zu gewährleisten. Die Interviews waren in zwei Hauptteile gegliedert: Der erste Teil konzentrierte sich darauf, wie sich die Befragten in ihrer Rolle als Talentmanager_in positionieren, die Bedeutung, die sie dieser Rolle beimessen, und ihre Zufriedenheit damit. Der zweite Teil fokussierte auf die benötigten Kompetenzen, also welche Fähigkeiten vorhanden sein müssen oder im Rahmen der Ausbildung erworben werden sollten, um die Rolle einer/eines Talentmanager_in erfolgreich auszuüben.
Erkenntnisse aus den Interviews
Das wichtigste Ergebnis hinsichtlich der Einstellung der Talentmanager_innen ist, dass alle Interviewpartner_innen diese Rolle als sehr wichtig erachten und gleichzeitig betonen, dass noch viel Arbeit erforderlich ist, um ihr die gebührende Bedeutung zukommen zu lassen. Die zentralen Erkenntnisse in Bezug zu den Kompetenzen lassen sich in zwei Schlüsselbegriffen zusammenfassen: Talent und Management. Es wurde deutlich, dass die Fähigkeit einer/eines Talentmanager_in darin besteht, den Fussball in all seiner Vielfalt zu verstehen – „man muss den Fussball einfach sehen können“, so ein befragter Talentmanager. Gleichzeitig sind Leadership- und Management-Kompetenzen nötig, um die komplexen Planungs- und Entscheidungssituationen zu meistern.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde beschlossen, den Ausbildungskurs für Talentmanager_innen in zwei Hauptbereiche zu unterteilen: einen Bereich für Talent und einen für Management.
Talentbereich
Die aus den Interviews gewonnenen Erkenntnisse unterstützen die These, dass die Identifikation, Integration und Entwicklung von Talenten die drei wesentlichen Säulen der Nachwuchsförderung darstellen. Aus diesem Grund liegt der Fokus in der Ausbildung im Talentbereich auf der Analyse und Vertiefung dieser drei Elemente. Im ersten Talent-Modul konzentriert sich die Ausbildung auf die Talentidentifikation und -integration, während das zweite Modul auf die Talententwicklung ausgerichtet ist. Um diese Ziele zu erreichen, hat der SFV eine umfassende Fussballexpertise mobilisiert, die sowohl aus dem Fussballgeschäft als auch aus der Privatwirtschaft stammt. Die Schwerpunkte der beiden Module sind zum einen die Potentialanalyse und zum anderen das Thema Resilienz. Für diese beiden Kernthemen werden spezifische Workshops organisiert.
Managementbereich
Die durchgeführten Interviews zeigen auf, dass die wesentlichen Kompetenzen einer/eines Talentmanager_in darin bestehen, junge Talente zu verstehen und zu führen. Besonders wichtig ist dabei das Verständnis für das biologische und psychologische Entwicklungsstadium, in dem sich ein Talent befindet, und wie sich dies auf die Kombination von Fussball, Schule, Familie und sozialen Kontakten auswirkt. Zudem ist es entscheidend, über Kommunikationsfähigkeiten zu verfügen, die den Dialog mit allen Interessengruppen des Talents – wie Eltern, Berater_innen oder Trainer_innen – ermöglichen. Neben der wichtigen Fähigkeit, das Talent zu begeistern und täglich zu motivieren, selbst wenn die sportlichen Leistungen hinter den Erwartungen zurückbleiben, wird auch die Fähigkeit zur Vermittlung von Resilienz als zentral erachtet.
Resilienz als Schlüsselkompetenz
Es wird deutlich, dass Resilienz – die Fähigkeit eines Individuums, sich schnell von Schwierigkeiten zu erholen, sich an Veränderungen anzupassen und in herausfordernden oder widrigen Situationen standhaft zu bleiben – sowohl im Talentbereich als auch im Management eine wesentliche Rolle spielt. Dies unterstreicht die Wichtigkeit des Themas und verdeutlicht, wie entscheidend es ist, Resilienz bereits in jungen Jahren zu fördern. Es zeigt auf, wie man sich in einer dynamischen Umwelt anpassen kann, um maximale Leistung zu erreichen. Sowohl Talente als auch Talentmanager_innen sollten sich der Bedeutung von Resilienz bewusst werden und lernen, wie man diese Fähigkeit entwickelt und weitergibt. Daher bildet diese Kompetenz in allen drei Modulen den roten Faden.
Der Relative Age Effect und seine Bedeutung
Ein Anlass für die Auseinandersetzung mit der Ausbildung von Talentmanager_innen ist die Messung des Relative Age Effects (RAE) der Schweizer Nationalmannschaft bei der EM 2024. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass die Schweizer Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2024 den besten Wert aller teilnehmenden Nationalmannschaften aufweist. Der Relative Age Effect beschreibt das Phänomen, dass innerhalb eines Jahrgangs ältere Kinder oft bevorzugt werden, weil sie körperlich und geistig weiter entwickelt sind als ihre jüngeren Mitspieler_innen. Dass die Schweizer Nationalmannschaft in diesem Bereich so gut abschneidet, spricht für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit und zeigt, wie wichtig eine fundierte Ausbildung für Talentmanager_innen ist, um solche Effekte zu erkennen und auszugleichen.
Ausblick
Aus der Perspektive des SFV umfassen die nächsten Schritte den erfolgreichen Abschluss der bereits laufenden Erstdurchführung sowie die Planung des kommenden Kurses, der bereits im Dezember 2024 beginnt. Dieser Kurs wird sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache angeboten. Im Laufe dieses Jahres plant der SFV, alle Partnerschaften und Leistungszentren zu besuchen und mit allen Beteiligten die Rolle und Positionierung des Talentmanagers zu erörtern und zu festigen. Das übergeordnete Ziel aus SFV- und VMI-Sicht ist es, das Talentmanagement in den Vereinen strukturell zu verankern und einen breiten, nachhaltigen und erfolgsversprechenden Kompetenzzuwachs zu erreichen. Dies unter dem Motto, dass der Schweizerische Fussball als Vorbild des Talentmanagements hier Pioniergeist zeigt und so international zu einer (noch besseren) Marke wird.
Wir von foomla finden das Vorgehen des Schweizer Verbands ganz Wunderbar und freuen uns über den professionellen Weg der eingeschlagen wird. Es wird zwar die Zukunft zeigen ob die Schweizer auf Basis dieser Funktion in den Clubs ihre jungen Spieler besser fördern können als andere Nationen, aber aus eigenen Erfahrungen sind wir optimistisch, dass dies der richtige Weg sein wird!
Links
- dieser Blogpost sich bezieht auf einen Artikel aus dem VM Magazin:
- Zur Ausbildungsbroschüre zum/zur Talentmanagerin: